Der Templerspung - Ein Wunder im Templerorden?
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Die Tempelritter sind bis heute von einer Aura des Geheimnisvollen umgeben. Ob es um den Heiligen Gral, verborgene Schätze oder geheime Rituale geht – die Liste der Mythen ist lang. Doch oft sind es die überlieferten Geschichten aus mittelalterlichen Quellen selbst, die am spektakulärsten sind.
Eine dieser Erlebnisse stammt von Jacques de Vitry, dem Bischof von Akkon. In seinen Exempla erzählt er von einem Templer, der in einer ausweglosen Situation seinem Glauben folgte und ein Wunder erlebte. Die Szene ist so eindrücklich wie symbolisch, und wer sich für tiefere Einblicke interessiert, findet das dazugehörige Video mit visuellen Quellenbelegen am Ende dieses Beitrags.
Jacques de Vitry beschreibt in seinen Sermones Vulgares eine Begebenheit, die sich angeblich in den Anfangstagen des Templerordens ereignete. Damals, so heißt es, waren die Templer noch wahrhaft arm und von tiefer Frömmigkeit geprägt. Ein Ritter, der aus Tyrus stammte, war unterwegs nach Akkon, um Geld und Almosen zu überbringen – ein klarer Hinweis auf die Treuhandfunktion, die dem Orden auch historisch zugesprochen wurde.
Doch auf dem Weg wurde ihm eine Falle gestellt. Die Sarazenen bedrängten ihn auf einem schmalen Pfad, der zu beiden Seiten keine Fluchtmöglichkeit bot: auf der einen Seite eine steile Klippe, auf der anderen das offene Meer. In dieser ausweglosen Situation traf der Ritter eine Entscheidung, die seinem tiefen Gottvertrauen entsprang: Er spornte sein Pferd an und sprang mit ihm von der Klippe ins Wasser.
Die Quelle Berichtet weiter:
"Aber das Pferd, wie es dem Herrn gefiel, trug ihn unversehrt an die Küste. Sobald es jedoch an Land kam, zerbarst es in der Mitte, weil es beim Sprung so stark gegen die Wellen geschleudert worden war. So kehrte der Ritter Christi zu Fuß mit dem Geld in die Stadt Tyrus zurück."
Was auf den ersten Blick wie ein dramatischer Fluchtversuch wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als tief religiös aufgeladene Erbauungserzählung. Die Geschichte transportiert mehrere zentrale Motive, die für das mittelalterliche Verständnis von Vorbildlichkeit und Frömmigkeit wesentlich waren:
Zum einen wird die Szene in die Gründungszeit des Ordens verlegt – eine Zeit, die in vielen Quellen idealisiert wird. Armut, Aufopferung und unerschütterlicher Glaube galten als Leitbilder der frühen Tempelritter. Dass der Ritter unterwegs mit Spenden ist, betont die Rolle der Templer als vertrauenswürdige Hüter fremden Vermögens – ein Bild, das zeitgenössischen Hörer:innen sicherlich vertraut war.
Die Entscheidung zum Sprung ist dabei keine tollkühne Heldentat um ihrer selbst willen. Vielmehr zeigt sie das Ideal eines Ritters, der seine Hoffnung allein auf Gott setzt und bereit ist, alles zu opfern, um seinen Auftrag zu erfüllen. Dass das Pferd genau so lange durchhält, wie es braucht, um den Ritter an Land zu bringen, ist keine Nebensächlichkeit. Es unterstreicht, dass Gottes Eingreifen zielgerichtet ist: Das Wunder geschieht, weil der Glaube echt ist, die Pflicht erfüllt werden muss und die Demut gewahrt bleibt.
Gerade diese Demut ist es, die das Ende der Geschichte prägt. Es gibt kein Triumphgeheul, keine Rühmung des Heldentums. Der Ritter geht zu Fuß weiter, ohne Pferd, aber mit dem Geld sicher am Ziel. In seiner schlichten Fortsetzung nach dem Wunder offenbart sich die eigentliche Botschaft: Pflicht, Glaube und Demut überstrahlen jede äußerliche Glorifizierung.
Solche Geschichten waren keine Unterhaltung für lange Abende, sondern Mittel zum Zweck: In Predigten sollten sie Gläubigen die Tugenden des christlichen Lebens vor Augen führen. Der "Templersprung" steht exemplarisch für die Ideale des Ritterordens – aber auch für das Verständnis von Wunder und Glauben im Mittelalter. Kein Spektakel um des Staunens willen, sondern die Bestätigung einer Haltung: Das Leben in Armut, die Treue zum Auftrag und das Vertrauen auf Gott führen zur Rettung – im Diesseits oder Jenseits.
Hier findest du das vollständige Video mit allen fünf wilden Geschichten aus den Quellen – inklusive Visuals und Quellenauszug zum "Templersprung":